Eine Kette sie zu binden ...
Im Laufe der vergangenen zwei Jahre gab es bereits diverse Exklusivtitel für die Nintendo Switch, wovon die meisten allerdings von Nintendo selbst entwickelt wurden. Einer der Entwickler, die Nintendo auch schon während der Wii U-Ära die Treue gehalten haben, ist PlatinumGames, die wiederum für Spiele wie Bayonetta oder The Wonderful 101 bekannt sind. Alle Spiele von PlatinumGames haben letztendlich eines gemeinsam: Ihnen allen wurde eine gewisse Prise an Obskurität hinzugefügt. Sei es nun die Tatsache, dass Bayonetta einen Anzug trägt, der aus ihrem eigenen Haar besteht oder ob wir unsere Helden in The Wonderful 101 zu riesigen Konstruktionen formen, mit denen wir zuschlagen. Der neuste Streich der Entwickler hört auf den Namen Astral Chain und schlägt zumindest in Sachen Inszenierung und Action deutlich in die gewohnte Kerbe. Ob das Spiel auch fernab von kuriosen Ideen und knackiger Effekte überzeugen kann, möchte ich im folgenden Test näher beleuchten.
Die Ausgangslage von Astral Chain fällt recht düster aus: Im Laufe der Zeit entdeckten die Menschen, dass sich überall auf der Welt seltsame Portale öffnen und eine rote Substanz begann, sich auf der Welt auszubreiten. Diese begann damit, Stück für Stück den Lebensraum der Menschheit zu kontaminieren und machte auch vor den Bürgern nicht halt. Wer einmal infiziert wurde, litt unter Lethargie, Hoffnungslosigkeit und einer starken Lebensunlust. Doch dabei blieb es nicht und mit der Zeit begannen die Infizierten sich in monsterähnliche Wesen zu verwandeln. Die vermeintliche Lösung fand man damals anscheinend in der Bibel, denn ein Teil der Menschheit beschloss, die Arche, eine schwimmende, riesige Metropole, zu erreichten und sich so weit vom Festland zu entfernen, dass die rote Substanz nicht folgen kann. Was zuerst wie eine gute Idee erschien, sollte sich jedoch bald relativieren, denn auch auf offener See begannen sich immer mehr Portale zu öffnen und Wesen hindurch zu gelangen, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sind – sogenannte Chimären. Und hier kommt Neuron ins Spiel, eine Spezialeinheit, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, diese Wesen zu bekämpfen und für die Sicherheit der Arche und der verbleibenden Menschheit zu kämpfen.
Ihr selbst spielt einen von zwei Zwillingen, die sich letztendlich nur im Geschlecht unterscheiden – erwartet also keine großen Anpassungsmöglichkeiten fernab eures Gesichts, eurer Frisur und der Haarfarbe. Anfangs gehört ihr zusammen mit eurem Bruder oder eurer Schwester noch zu einer einfachen Polizeieinheit, doch im Zuge eines Einsatzes, der aus den Rudern zu laufen droht, wird euer Potenzial erkannt und ihr werdet beide für die Spezialeinheit Neuron rekrutiert, die zufälligerweise auch noch von eurem Vater angeführt wird. Dabei werdet ihr auch in das Geheimnis um die Chimären eingeweiht und euch wird offenbart, wie die Menschheit den Kampf gegen diesen scheinbar übermächtigen Gegner aufnehmen kann, nämlich mit Hilfe der sogenannten Legionen. Dabei handelt es sich um chimärenähnliche Wesen, die ihr Halter an einer Kette führt und die in der Lage sind, den Monstrositäten ordentlich Schaden zuzufügen. Ein solches Wesen führen zu können, bedarf einer Menge Training und Vorbereitungszeit, doch es stellt sich schnell heraus, dass ihr in dieser Hinsicht etwas Besonderes seid und so erhaltet ihr bereits nach kürzester Zeit eure eigene Legion – sehr zum Verdruss eures Zwillings, der dazu nicht auserkoren wird. Von nun an ist es eure Aufgabe, neben eurer eigentlichen Polizeiarbeit gegen die Chimären zu kämpfen und das Geheimnis zu lüften, was es mit den seltsamen Portalen auf sich hat.
So weit, so gut und vielleicht habt ihr bereits an ein, zwei Stellen herauslesen können, dass die Handlung nicht die große Stärke von Astral Chain ist. Denn wenn das Spiel eines tut, dann ist es in die Klischee- und Stereotypen-Kiste greifen und ordentlich darin herumwühlen. Ihr seid ein besonderer Mann bzw. eine besondere Frau, die sofort in der Lage ist, eine Legion zu führen, euer Vater ist euer Vorgesetzter und ist (natürlich) alles andere als begeistert, dass seine Kinder nun in ständiger Gefahr sind, euer Zwilling beneidet euch für euren schnellen Aufstieg bei Neuron und sowieso seid ihr ein ziemlich harter Hund, der mit allen Wassern gewaschen ist. Dasselbe gilt im Übrigen auch für die anderen Nebencharaktere, die allesamt einer Eigenschaft zugeordnet sein könnten: Der grimmige Einzelgänger, die besorgte Operator, die rechte Hand eures Vaters, die immer einen lässigen Spruch auf den Lippen hat oder der lustige Sidekick, der sich tollpatschig anstellt und etwas trottelig ist. Kurzum: Die meisten der Charaktere sind einfach nur blass und haben keinerlei Persönlichkeit. Das wäre verschmerzbar, wenn sie tatsächlich nur Randfiguren blieben aber Astral Chain setzt diese Personen auch alle recht oft ein – ein Bezug zu ihnen kam bei mir während des gesamten Spiels jedoch kaum auf. Der Umstand, dass euer eigener Charakter nicht synchronisiert ist, setzt dem Ganzen die Krone auf und ist ein Punkt, den ich so nicht nachvollziehen kann. Denn je nachdem ob ihr Männlein oder Weiblein spielt, ist euer Zwilling vollständig synchronisiert, wieso also nicht auch den Spielercharakter vertonen? So bleibt es dabei, dass euer alter Ego meistens recht entschlossen dreinblickt und Schnauf- und Ächzgeräusche von sich gibt – in meinen Augen eine deutlich verpasste Chance. Was für die Charaktere gilt, passt leider auch zur Handlung, denn diese ist zu einem sehr großen Teil einfach nur vorhersehbar und alles andere als intuitiv. Erst nach fast Dreiviertel des Spiels beginnt der Handlungsbogen etwas spannender zu werden, dann jedoch schafft es Astral Chain auch, mit Fragen der Existenz, dem Sinn des ewigen Überlebenskampfs und vergleichbaren Themen aufzuwarten. Letztendlich würden all diese Punkte auch nicht so negativ ins Gewicht fallen, wenn es sich bei Astral Chain „nur“ um ein simples Action-Adventure handeln würde, jedoch legt das Spiel sehr viel Wert darauf, mir die verschiedenen Charaktere, Handlungsstränge und Hintergründe näherzubringen, dass diese Blässe in Sachen Story und Protagonisten ziemlich auffällt und auch einen entsprechenden Eindruck hinterlässt.
Wo Astral Chain in Sachen Handlung schwächelt, werden bei der Inszenierung und Action alle Geschütze aufgefahren, die PlatinumGames zu bieten hat. Bereits im Prolog, vor dem eigentlichen Intro, rast ihr auf einem Motorrad durch die Straßen der Stadt, weicht Geschossen und brennenden Autowracks aus, beharkt Gegner mit eurer Pistole und landet letztendlich mit einer typischen Superhelden-Landung im Feindesgetümmel und schlagt euch durch die Gegner. Dabei zieht das Spiel seine Stärke aus der Inszenierung, denn Astral Chain wirkt von vorne bis hinten wie aus einem Anime geschnitten – diesen Eindruck hat man jedenfalls spätestens nach dem Intro, das ganz typisch mit Szenen aus dem gesamten Spiel bestückt ist – dem Vorstellen der Helden und des Antagonisten inklusive – und von einer knalligen Titelmelodie begleitet wird. Von hier an zieht man alle Register und im Laufe des Spiels erlebt ihr haarsträubende Kämpfe, Explosionen, dramatische (und überzogene) Momente, offene Münder und teils haushohe Gegner, die sich euch in den Weg stellen. Mehr ist mehr, das ist eindeutig die Maxime, die Astral Chain immer wieder an den Tag legt, nur um dann plötzlich mit einem ganz starken Kontrastprogramm zu überraschen, wenn ihr gemütlich durch den Stadtkomplex der Arche schlendert und alle Zeit der Welt habt, diesen zwischen euren Missionen zu erkunden. Die Präsentation und Inszenierung des Spiels muss man mögen und all diejenigen unter euch, die mit Animes so rein gar nichts anfangen können, könnten den Titel immer wieder überzogen und übertrieben finden. Alle anderen werden in dieser Hinsicht ihre helle Freude an Astral Chain haben.
Doch ganz fernab der Handlung und Inszenierung bleibt letztendlich eine Frage: Kann der Titel auch spielerisch überzeugen? Und hier kann ich getrost und voller Überzeugung sagen: Ja, die meiste Zeit schon. Im Großen und Ganzen bleibt der Spielablauf im Kern derselbe, ihr erhaltet einen Auftrag, habt im Vorfeld die Möglichkeit, Nebenaufgaben zu erledigen und stürzt euch dann ins Getümmel oder startet eure Nachforschungen. Zu Beginn werdet ihr einen nicht unerheblichen Teil eurer Zeit im Hauptquartier von Neuron verbringen, wo ihr eure Aufgaben erhaltet und euch mit euren Mitstreitern unterhalten könnt. Bevor ihr euren eigentlichen Auftrag dann letztendlich in Angriff nehmt, landet ihr in den meisten Fällen in einem speziellen Hub, also einem Ort, an dem ihr euch frei bewegen und den ihr auf eigene Faust erkunden könnt, um zum Beispiel versteckte Gegenstände zu suchen oder Rote Materie zu entfernen (dazu später mehr). Meistens handelt es sich bei diesen Hubs um einen Stadtkomplex oder ihr findet euch in speziellen Gebieten wieder, wie z.B. im Hauptbereich eines U-Bahnhofs, dessen eines Gleis ihr später evakuieren müsst. All diese Hubs haben gemeinsam, dass ihr in ihnen Nebenaufgaben erledigen könnt oder eurer Arbeit als Polizist nachgeht. Letzteres kann mitunter auch ganz simple Auswüchse annehmen, indem ihr einfach Dosen, die am Boden herumliegen, aufsammelt und in den Mülleimer werft oder, dass ihr eine Toilette aufsucht, um vor dem Einsatz noch einmal eurem Geschäft nachzugehen, was ein Polizist ebenso auf seiner Streife tut. Die Nebenaufgaben rangieren dabei von einfachen Aufgaben wie dem Auffinden einer verlorengegangenen Katze über Hilfe für ein kleines Mädchen, dessen Eis zu Boden gefallen ist und dem ihr ein Neues besorgt bis hin zum Betreten diverser Astral-Portale, über die ihr in die Astral-Ebene eindringen und dort gegen diverse Chimären kämpfen müsst, damit die Portale geschlossen werden. In dieser Phase werdet ihr des Öfteren von eurem IRIS Gebrauch machen müssen – ein Computersystem, welches die Umgebung wie in einem Computergitter darstellt und alle Personen und besonderen Gegenstände hervorhebt. Im Laufe des Spiels wird das IRIS System immer wieder wichtig, da euch auch spielrelevante Hinweise gegeben werden, z.B. ob eine Tür gewaltsam geöffnet werden kann oder man Passanten belauschen kann, um wertvolle Informationen zu erhalten. Kleiner lustiger Fakt am Rande: Je weiter ihr später in eurem Level aufsteigt, desto mehr Informationen zeigt euch euer IRIS zu allen Passanten an, darunter auch das Körpergewicht.
Wenn es dann zu eurem eigentlichen Auftrag kommt, gilt es wiederum zwischen zwei Phasen zu unterscheiden. Manchmal müsst ihr nämlich, bevor es zur eigentlich Action kommt, gewisse Nachforschungen anstellen. So müsst ihr zum Beispiel nach einem Chimärenangriff die Passanten zu eben diesen befragen und so Stück für Stück rekonstruieren, was genau vorgefallen ist. Habt ihr alle Hinweise gesammelt, müsst ihr mit eurem jeweiligen Partner alle Indizien durchgehen und aussortieren, welche der Hinweise sinnvoll und nützlich sind und welche euch gar nicht weiterbringen. Je nachdem, wie gut ihr euch dabei anstellt, erhaltet ihr mehr oder weniger an Erfahrungspunkten und Genmaterial (zu dem wir auch noch kommen werden). Anfangs wird euch das nicht weiter schwerfallen, doch im Laufe des Spiels werden die Fälle immer knackiger und die Fehlerquote liegt deutlich höher. Doch früher oder später kommt es dann doch zum eigentlichen Kernelement von Astral Chain: nämlich den Kämpfen. Wenn ihr mit feindlichen Chimären oder auch feindlich gesinnten Menschen in Kontakt kommt, zieht ihr automatisch euren Schlagstock, der gleichzeitig als Multifunktionswaffe dient. Anfangs habt ihr die Wahl zwischen einem schnellen Nahkampf- und einem Fernkampfangriff, im Laufe des Spiels erhaltet ihr zudem noch die Möglichkeit, euren Schlagstock in ein Astral-Schwert umzuwandeln und mit schweren Hieben auf eure Feinde einzudreschen. Das geschieht nach ganz gewohnter Action-Manier, in der ihr Attacken durch gezielte Manöver ausweicht und den Gegner entsprechend mit Gegenangriffen beharkt. Doch ganz alleine werdet ihr niemals Land gegen die Chimären sehen und darum habt ihr eure Legion an eurer Seite.
Die Legionen stellen das zentrale Instrument im Kampf gegen die Chimären dar. Zu Beginn verfügt ihr nur über eine Schwert-Legion, die ganz klassisch im Nahkampf auf eure Gegner einschlägt. Im Laufe des Spiels erlangt ihr jedoch weitere Legionen, die allesamt ihre eigenen Stärken und Schwächen besitzen und entsprechend eingesetzt werden wollen. So handelt es sich bei der Bogen-Legion, ihr habt es sicherlich vermutet, um einen idealen Fernkämpfer, während die Arm-Legion eher der wuchtige Nahkämpfer ist und die Biest-Legion ist ein schneller Allrounder, der vor allem durch agile Attacken auftrumpfen kann. Habt ihr sie einmal erhalten, könnt ihr jederzeit zwischen den einzelnen Legionen hin- und herschalten, was euch flexibel auf jede Situation und jeden Gegnertypen reagieren lässt. Doch die Legionen bleiben nicht dauerhaft an eurer Seite: Einmal gerufen, verringern sich ihre Lebenspunkte mit der Zeit, sind diese dann bei null angekommen, verschwindet die Legion für eine Weile, bis sie sich wieder regeneriert hat. Dies ist vor allem bei größeren Gefechten und bei den Bosskämpfen ein taktisches Element, welches nicht aus den Augen verloren werden darf, denn wenn man gerade von Gegnern umzingelt ist, ist es alles andere als hilfreich, wenn die eigene Legion plötzlich verschwindet. Eure Legionen agieren selbstständig, das heißt ihr müsst sie nicht zwingend selbst steuern und das funktioniert auch ziemlich gut, ich hatte selten das Gefühl, dass sich die KI die falschen Ziele aussucht oder sich komplett nutzlos verhält. Wenn ihr dann aber doch einmal die direkte Kontrolle über eure Legion übernehmt, ergeben sich einige interessante Möglichkeiten, die ihr im Kampf nutzen könnt. Wie bereits erwähnt, sit eure Legion mit einer sogenannten Astral-Kette mit euch verbunden. Diese ist nicht nur zur Zierde da sondern symbolisiert zum einen, wie weit sich eure Legion von euch entfernen kann, zum Beispiel um Gegner anzugreifen, zum anderen kann sie aber auch aktiv genutzt werden, um Gegner einzuschnüren oder aufzuhalten. Dafür müsst ihr eure Legion nur um einen Feind herumbewegen und dieser ist sofort eingeschnürt, was für euch bedeutet, dass ihr ihn ohne Gegenwehr mit Angriffen eindecken könnt. Gelegentlichl kommt es auch dazu, dass euch manche Gegnertypen aus der Ferne anstürmen – einfach die Kette mitten in seinen Weg gespannt und zack, die Chimäre wird voller Wucht zurückgeschleudert und ist benommen. Diese kleinen Gameplayelemente sorgen für eine gewisse taktische Tiefe, denn gerade im späteren Verlauf des Spiels reicht es oftmals nicht mehr aus, einfach nur auf eure Widersacher einzuschlagen. Und spätestens bei bestimmten Gegnertypen und einigen Bosskämpfen kommt ihr definitiv nicht mehr drumherum, eure Kette auch im Kampf zu nutzen. Die Kämpfe gestalten sich alle recht flott und gehen sehr gut von der Hand, sobald man sich die verschiedenen Möglichkeiten einmal eingeprägt hat. Hier zeigt sich, dass Astral Chain die Action nicht nur gut inszenieren kann, sondern, dass man als Spieler auch problemlos in eben diese eintauchen kann, ohne dass die Kämpfe anspruchslos oder man große Probleme hat. Und dies sind auch die Momente, in denen der Titel absolut überzeugen kann.
Doch auch fernab der Kämpfe stellen sich die unterschiedlichen Legionen als sinnvolle Helfer heraus. So besitzt jede Legion eine Spezialfertigkeit, die es euch ermöglicht, mit eurer Umwelt zu interagieren. So kann die Schwertlegion mit ihrer Waffe Türschlösser aufbrechen und Astral-Fäden durchtrennen, die Bogen-Legion kann Schalter und Gegenstände aus der Ferne abschießen, die Bestien-Legion kann an bestimmten Stellen im Erdreich buddeln, um Gegenstände zu finden, die Witterung von Gegenständen aufnehmen – ideal für Ermittlungsaufträge – oder euch auf ihr reiten lassen und die Arm-Legion kann schwere Türen öffnen und euch durch gefährliche Gebiete, wie z.B. durch ein von Giftgas kontaminierten Raum geleiten. Zusätzlich könnt ihr eure Legionen noch dafür nutzen, die bereits erwähnte Rote Materie zu entfernen, die sich überall in der Welt finden lässt. Damit tut ihr nicht nur einen Dienst an der Menschheit, ihr erhaltet so, oder auch durch Kämpfe und dem Erledigen von Nebenaufgaben, auch Genmaterial, welches ihr wiederum verwenden könnt, um eure Legionen aufzuwerten. Dabei besitzt jede Legion einen extra Talentbaum, in dem ihr, genügend Genmaterial vorausgesetzt, diverse Fähigkeiten ganz nach euren eigenen Vorlieben freischalten könnt. Dabei handelt es sich unter anderem um mehr Angriffs- oder Verteidigungskraft aber auch um ganz spezielle Fertigkeiten, die im Kampf eingesetzt werden können. So beherrscht die Biest-Legion zum Beispiel die Fertigkeit, die Astral-Kette unter Strom zu setzen, was dafür sorgt, dass alle verketteten Gegner konstant Schaden erhalten. Die Bogen-Legion gibt euch die Möglichkeit, eure Angriffsgeschwindigkeit temporär zu erhöhen, sodass selbst schwere Angriffe nur so auf den Gegner einprasseln. Manche der Fertigkeiten finden sich auch doppelt in den jeweiligen Talentbäumen wieder, jedoch hat jede Legion ihren eigenen Fokus, was euch früher oder später auch dazu zwingt, euch auf ein paar Legionen eher zu spezialisieren, denn ihr werdet niemals genug Genmaterial besitzen, um alle gleich aufzuwerten.
Doch damit ihr euch als Polizist nicht gänzlich nutzlos fühlt, habt ihr ebenfalls die Möglichkeit, eure eigene Waffe und eure Panzerung aufzuwerten – hierfür benötigt ihr vor allem eines: Geld. Dieses erhaltet ihr vorwiegend nach eurem jeweiligen Auftrag, je nach Höhe eures Ranges, der sich ebenfalls erhöht, je mehr Nebenaufgaben ihr erledigt und je mehr Rote Materie ihr entfernt, oder durch den Verkauf von Gegenständen. Letztendlich erhöht sich so bei eurer Waffe der Schaden und ihr schaltet zusätzliche Spezialangriffe frei. Bei eurer Rüstung erhöhen sich eure Lebenspunkte, die Lebenspunkte eurer Legion und die Anzahl an Batterien, die ihr mit euch führen könnt. Ja, richtig gelesen, Batterien. Diese dienen euch quasi als „zweite“ Chance, wenn eure Lebenspunkte einmal auf null gesunken sind. Somit muss ein vermeintlicher Spieletod nicht gleich das Ende bedeuten. Damit es gar nicht erst soweit kommt, könnt ihr euch von eurem hart verdienten Sold diverse Gegenstände kaufen, wie z.B. Medizin in allen Ausführungen, von Mini bis Maxi, Booster, die eure Charakterwerte temporär erhöhen oder ihr schöpft aus den Vollen und deckt euch mit Granaten und Angriffsdrohnen ein, die dem Gegner ordentlich einheizen. Da das Geld jedoch knapp ist, sollte stets gut darüber nachgedacht werden, ob ihr auf Nummer sicher gehen wollt oder nicht lieber doch für das nächste Upgrade eurer Waffe oder Panzerung sparen wollt. Solche Überlegungen führten letztendlich zumindest bei mir dazu, dass ich auch vermehrt versucht habe, möglichst viele Nebenaufgaben zu erledigen, denn je vollständiger ich den Level abgeschlossen hatte, desto schneller kam die nächste Beförderung und damit ein höheres Gehalt. Doch selbst wenn ihr völlig pleite seid, ist dies kein Grund zum verzagen, denn sowohl in den verschiedenen Missionen als auch nach harten Kämpfen findet und erhaltet ihr meistens das eine oder andere Item, das euch behilflich sein sollte. Doch Vorsicht: Alle gefundenen bzw. temporären Items, meistens gekennzeichnet durch ein *-Symbol, müsst ihr am Ende jeder Mission wieder abgeben – hortet also nicht zu sehr.
Im Laufe des Spiels kommt ihr an die verschiedensten Schauplätze und steht auch einer Vielzahl an Gegnern gegenüber. So rettet ihr Zivilisten aus einer zusammengestürzten und von Chimären verseuchten U-Bahn-Station, verteidigt den inneren Stadtkomplex der Arche, besucht ein Forschungsinstitut oder schlagt euch durch verbotenen Slums. Damit kann Astral Chain anfangs noch punkten, doch gerade was die Schauplätze angeht, wird im letzten Drittel immer wieder Level- und teils auch ein Boss-Recycling betrieben, was dem Spielspaß letztendlich aber keinen Abbruch tut. Fernab der Kämpfe ergeben sich zudem noch weitere Spielelemente, die das Spielgeschehen etwas auflockern und mehr Abwechslung bringen sollen. So erlernt ihr bereits früh im Spiel den sogenannten Ketten-Sprung, bei dem ihr eure Legion zu einem beliebigen Punkt manövrieren könnt und ihr dann befehlt, euch an der Kette zu ihr zu ziehen. Astral Chain nimmt das gerne als Aufhänger für diverse Jump-and-Run-Einlagen. Zudem gibt es mehrere Abschnitte, in denen ihr euch an diversen Wachen vorbei schleichen müsst und das Spiel dann zu einem Stealth-Ableger mutiert, bei dem ihr mithilfe eures IRIS-Systems die Wegrouten und die Sichtfelder der Wachen im Blick haben müsst. Und gerade in diesen Momenten, wenn Astral Chain etwas anderes sein will, als es eigentlich ist, wird es frustrierend. Die Sprungeinlagen scheitern häufiger daran, dass ihr an einem Geländer oder ähnlichem hängen bleibt und in die Tiefe stürzt, was euch jedesmal einen nicht unerheblichen Teil eurer Lebensenergie kostet. Wenn euch dann noch ein Zeitlimit oder Plattformen, die unter euch wegbrechen, zu mehr Eile und Tempo anspornen wollen, geht das sehr häufig in die Hose und artet mehr in Frust als Lust aus. Selbiges gilt für die Schleicheinlagen, bei denen mir nicht immer so gänzlich klar war, wieso mich jetzt eine Wache erspähen konnte, obwohl ich definitiv nicht in ihrem Sichtbereich stand. Bei allem Verständnis dafür, dass die Entwickler das Spielprinzip etwas auflockern wollten, sie hätten es besser sein lassen, denn hier kann Astral Chain leider nicht glänzen.
Am Rande sei noch erwähnt, dass das Spiel euch die Möglichkeit bietet, die Handlung zu zweit in einem Koop-Modus zu erleben, wovon ich allerdings abrate. Diesen Modus müsst ihr zwingend mit zwei Joy-Cons spielen, einer von euch übernimmt den Portagonisten, der andere steuert die Legion. Die Probleme fangen schon damit an, dass der Spieler, der den Hauptcharakter steuert, zwar die Richtung angibt, in die ihr lauft, der Legionen-Spieler jedoch die Kamera bedienen muss. Das ist höchst umständlich und führte in meinem Fall dazu, dass meine Mitspielerin und ich eine ganze Zeit lang orientierungslos durch die Gegend gerannt sind – wenn dann noch Chimären angreifen, ist das Chaos perfekt. Dazu kommt die Tatsache, dass dem Legionen-Spieler letztendlich keine wirkliche Aufgabe zuteil kommt, denn die Legion beherrscht nur Auto-Angriffe. Das heißt im Endeffekt, dass der zweite Spieler seine Legion an einen Gegner heranführt und zuschaut, wie dieser automatisch zuschlägt. Alternativ kann euer Mitspieler noch durch die Gegend fliegen und Rote Materie einsammeln – vorausgesetzt die Lebensenergie läuft nicht ab und ihr müsst beide warten, bis die jeweilige Legion wieder gerufen werden kann. Im Großen und Ganzen: Finger weg vom Koop-Modus, der sicher nur als lustiges Gimmick gedacht war und nicht, dass man tatsächlich zu zweit versucht, den Titel durchzuspielen. All diejenigen unter euch, die es doch versuchen wollen: Viel Glück.
Von der technischen Seite aus gibt es in Bezug auf Astral Chain wenig zu meckern. Die Grafikengine, die mitunter an Cel-Shading erinnert, passt sehr gut zum Artstyle, der das Spiel wie einen Anime aussehen lässt. Das cyberpunk-lastige Szenario mit seinen leicht dystopischen Einschlägen kann optisch überzeugen. Die Texturen fallen die meiste Zeit scharf aus und auch die Charaktermodelle wurden detailliert modelliert, abgesehen von den NPCs, diese wiederholen sich mit der Zeit und fallen nicht ganz so individuell aus. Der Titel spielt sich sowohl im Dock- als auch im Handheld-Modus durchgehend flüssig, es kam während des gesamten Spiels zu keinerlei Rucklern, auch nicht in den Städte-Hubs, in denen deutlich mehr Figuren berechnet werden müssen. Was ebenfalls hervorgehoben werden sollte, ist der Soundtrack von Astral Chain. Vom knalligen Anime-Intro bis hin zu den, teils gesungenen, teils nur instrumentalen, individuellen Songs für jedes Gebiet hat PlatinumGames hier eindeutig eine sehr gute Arbeit abgeliefert. Die Kämpfe gewinnen durch die musikalische Untermalung deutlich an Intensität und gehen so noch ein ganzes Stück flotter von der Hand. Das Spiel lässt euch zudem die Wahl zwischen einer englischen und japanischen Sprachausgabe, deutsche Untertitel sind jederzeit zuschaltbar. Die Synchronisation ist in beiden Sprachversionen gut gelungen, die Sprecher wurden gut ausgewählt und liefern eine überzeugende Arbeit.
Unser Fazit
8
Ein Spiele-Hit